Dokumentarfilm «Faschingskinder»

aktuelles Projekt ∙ Realisierung 2013

Ausgangspunkt für dieses Projekt ist der 9-minütige DEFA-Dokumentarfilm aus dem Jahr 1981 mit dem Titel «An einem Februarvormittag», der Vorschulkinder in einer Ostberliner Schule für Körperbehinderte bei einer Faschingsfeier porträtiert. Der Film entstand im damaligen Jahr der Behinderten auf Initiative des Regisseurs, Herrn Gunther Scholz. Die Realisierung erfolgte außerhalb der staatlichen Strukturen, aber mit technischer Hilfe beider DEFA-Studios und wurde vom Kulturfonds der DDR finanziert.
2007 hatte der Regisseur des Films die Idee, nach den damaligen Mitwirkenden zu suchen, um ihre Geschichten weiterzuerzählen. Mit Hilfe der DEFA-Stiftung gelang es ihm, die meisten von ihnen zu finden. Die Idee des Weitererzählens konnte aber bislang nicht verwirklicht werden. Mehrere angesprochene TV-Sender hatten kein Interesse an einem Behinderten-Stoff.
Die Kinder von damals sagten in Gesprächen im Jahr 2007 einhellig, dass sie eine glückliche und trotz ihrer körperlichen Behinderungen unbeschwerte Kindheit in Erinnerung haben. Der Film zeigt ca. 15 Kinder mit unterschiedlichen körperlichen Behinderungen bei verschiedenen Beschäftigungen zum Karneval. Die Kinder werden von pädagogischen Fachkräften betreut, ihnen wird je nach Bedarf und Situation Hilfestellung gegeben.
Der damalige Film verwendet am Schluss das Gedicht “Hoffnung” des DDR-Lyrikers und Schriftstellers Heinz Kahlau : “In deinem Alter, Kind / hat jeder Mensch Hoffnung / fliegen wie laufen zu lernen ...

Inzwischen sind die damaligen Akteure Mitte 30, ihre körperlichen Behinderungen haben sich meist verfestigt. Drei von ihnen sind bereits verstorben.
Der geplante neue Film soll ihre Entwicklung und ihren heutigen Platz in der Gesellschaft beschreiben und zugleich Fragen aufwerfen und - soweit möglich - auch Antworten haben. Z. B. Wie barrierefrei ist diese Gesellschaft, im Körperlichen wie im Geistigen? Wie groß oder wie begrenzt sind ihre Lebensmöglichkeiten und -chancen? Wie viel persönliches Lebensglück, Partnerschaft, hat sich realisieren lassen?
Mit den Filmbildern aus der Kindheit soll dem Zuschauer ein sehr emotionaler Einstieg in die Problematik angeboten werden. Über diesen Einstieg und die Bekanntschaft mit den nunmehr Erwachsenen wird der Film auf die besonderen Probleme und die Gedankenwelt Behinderter aufmerksam machen. Dem Zuschauer wird das Hineindenken und Nachempfinden leichter gemacht, er wird emotional am Geschehen beteiligt, sodass der Film unmerklich Haltungen beeinflussen kann.
Der kurze Film von damals, die bunt kostümierten Fünf- bis Sechsjährigen, bildet den Einstieg zu einer Wiederbegegnung nach mehr als 30 Jahren. Die Kinder von damals sind jetzt Mitte dreißig, haben einen Beruf oder sind frühpensioniert, wenige haben Familie. Als sie Kinder waren, schien für sie so vieles möglich. Inzwischen kennen sie ihre Grenzen - die körperlichen Grenzen, aber auch die Grenzen, mit denen sie ihr Alltag konfrontiert. Sie wissen durch ihr Alltagsleben, wie stark ihre Einschränkungen sind, wie unterschiedlich und oftmals sogar diskriminierend sie alltäglich behandelt werden.
In ihrer Kindheit sind sie ein Stück Weges gemeinsam gegangen, jetzt aber findet sich jeder in seinem eigenen Leben wieder. Jeder hat dabei unterschiedliche Erfahrungen gemacht, wie sehr seine Behinderung seine Lebensmöglichkeiten begrenzt. Manche befinden sich in einem Beruf oder im Schutz von Behindertenwerkstätten, andere sind schon mit 30 berentet, fühlen sich nicht gebraucht, stehen im Abseits.
Der Film begegnet den Protagonisten in ihrem Alltag heute, auf der Arbeitsstelle, zu Hause oder auch in der Freizeit. Sehr persönliche Gespräche vor der Kamera sollen ihren besonders schwierigen Weg des Erwachsenwerdens und -seins schildern, ihre Sicht auf das Leben, auf die Gesellschaft, auch auf sehr persönliche Dinge wie Liebe und Partnerschaft.
Entstehen soll das filmische Porträt einer Gruppe von Menschen mit Behinderung. Nicht ein Einzelschicksal ist Schwerpunkt des Filmes, sondern die Summe von Erlebnissen und Erfahrungen unterschiedlich schwer Behinderter, vermittelt im direkten Dialog miteinander wie auch im Einzelporträt und Interview.
Die Berliner Premiere (oder auch eine Voraufführung) wird im Kino Toni in Berlin - Weißensee stattfinden. Dazu werden Politiker, Fachleute aus der Arbeit mit behinderten Menschen, Förderer, Medienvertreter und die Öffentlichkeit eingeladen.
Das Projekt wird gefördert von der Aktion Mensch, der Mayer & Partner GmbH in Berlin, der Rahn Dittrich Group, dem Paritätischen Wohlfahrtsverband Berlin und der RWS- Gruppe.